Saturn 1 - Raumfahrer.net (2024)

Sie war eine der Stützen des Apollo– und des Skylab-Programms: die Saturn 1 brachte nicht nur die ersten bemannten Apollo-Kapseln ins All, sondern versorgte auch die Raumstation Skylab.

Autor: Daniel Maurat.

Geschichte

Die Geschichte dieses Trägers begann schon im April 1957, also noch vor dem Start von Sputnik 1. Bei der Army Ballistic Missile Agency (ABMA) in Huntsville, Alabama, begann man damit, Pläne für eine neue Rakete zu machen, welche die Nutzlastkapazität der bisherigen amerikanischen Trägerraketen in den Schatten stellen sollte. Als Programmleiter wählte man den wohl berühmtesten Raketenkonstrukteur überhaupt aus: der Deutsche Wernher von Braun, welcher schon für das Nazi-Regime die V-2 entwickelte und nach dem Krieg nach Amerika kam, um dort die Redstone-Rakete zu entwickeln.

Von Braun wollte zunächst schon bewährte Elemente benutzen, um die neue Rakete zu bauen. Man einigte sich schnell bei er Erststufe auf folgende Konstruktion: eine Erststufe der Jupiter-Mittelstreckenrakete ohne Triebwerk bildete das Rückgrat der Rakete. Um dieses Rückgrat herum wurden kreisförmig acht Redstone-Raketen angebracht. Dabei bildeten vier Außentanks und die Zentralstufe die Oxydatortanks, während die restlichen vier Außentanks als Treibstofftanks dienten. Als Triebwerk sollte ein modifiziertes Triebwerk der Jupiter genutzt werden. Dabei sollten vier Triebwerke im Zentrum der Stufe starr montiert werden, während vier weitere Triebwerke im Abstand von 90° zueinander an der Peripherie der Stufe angebracht wurden. Diese wurden kardanisch aufgehängt, um somit die Rakete lenken zu können.

Die ganze Rakete bekam zunächst die Bezeichnung Juno V. Dieser Name deutete zwar auf den Ursprung auf die Juno (Jupiter / Redstone)-Raketen, bldete aber einen großen Entwicklungsfortschritt im Gegensatz zu den bisherigen amerikanischen Raketen. Die Juno V sollte als Zweitstufe noch eine Erststufe der Titan 1-Interkontinentalrakete und als Drittstufe eine kyrogene Oberstufe vom Typ Centaur, welche sich schon in der Entwicklung für die Atlas-Rakete befand, nutzen. Im November 1958 übernahm schließlich die NASA das Programm. Die Rakete bekam darauf einen neuen Namen: Saturn. Dieser wurde gewählt, um darauf hinzudeuten, dass dies eine neue Generation von Trägern war und die ersten Trägerraketen vom Typ Jupiter beerben sollte.

Doch zunächst gab es eine Reihe von Vorschlägen, wie die neue Rakete aussehen sollte. Ein erster Entwurf, die Saturn A-1, basierte noch auf dem Juno V-Konzept, welches von Braun bevorzugte. Auch eine Version, bei der eine Zweitstufe auf vier gebündelten Titan 1-Erststufen verwendet werden sollte, war im Bespräch. Die NASA entschied sich schließlich im Einvernehmen mit von Braun für die so genannte Saturn C-1. Diese war zunächst nur die Erststufe, welche inzwischen den Namen S-I (für Saturn-I) hatte. Später wurde eine neue kryogene Zweitstufe hinzugefügt, die so genannte S-IV. Diese war zwar eine Neuentwicklung, nutzte aber die für die Centaur entwickelten Triebwerke vom Typ RL-10 nutzen. Insgesamt sollten sechs dieser Triebwerke die neue Stufe antreiben. 1961 schließlich gab der US-Präsident John F. Kennedy unter dem Eindruck des Starts von Juri Gagarin bekannt, dass die USA bis zum Ende der 1960er Jahre bemannt auf dem Mond landen würde. Dazu wählte die NASA die neue Saturn als Träger. Diese bekam nun den Namen Saturn I.

Im Juli 1962 gab die NASA bekannt, dass man das so genannte lunare Rendezvous durchführen wolle. Dazu bräuchte man die gigantische Saturn 5-Rakete. Da sie aber so viele neue Technologien nutzen sollte, dass man zum einem diesen Entwicklungssprung für nicht verantwortlich ansah, zum anderen aber die Raumkapsel und den Mondlander des Apollo-Programms auch ohne die neue Rakete testen wollte, brauchte man eine Alternative zum Test dieser Elemente, da die bisherige Saturn 1 nicht genügend Nutzlastkapazität besaß, um diese zu starten. So beschloss man, die neuentwickelte Oberstufe der Saturn 5, die S-IVB, mit einer modifizierten S-I-Erststufe der Saturn 1 zu starten. Daraus entstand die Saturn 1B, welche für das Apollo- und später das Skylab-Programm und den ASTP-Flug unverzichtbar wurde. Die neue S-IVB war größer als ihr Pendant bei der Saturn 1 und nutzte nun ein einzelnes Triebwerk vom Typ J-2, welches alleine mehr Schub hatte als die sechs RL-10-Triebwerke der S-IV zusammen.

Die neue Rakete hatte zwei eigens entwickeltes Nummerierungssystem, um die einzelnen Versionen und Flüge auseinanderzuhalten.

  • Das erste Nummerierungssystem war relativ einfach. Am Anfang stand das Kürzel SA-, welche von der zweistelligen Flugnummer gefolgt wurde, so war der Flug SA-5 der fünfte Flug einer Saturn 1. Es wurde nur für die Saturn 1 eingesetzt.
  • Das zweite Nummerierungssystem war eine Weiterentwicklung des ersten. So wurde das anfängliche Kürzel ersetzt durch das neue Kürzel AS- für Apollo Saturn. Dahinter stand eine dreistellige Zahl. Die erste Ziffer dieser Zahl bezeichnete dabei die eingesetzte Saturn-Version. Dabei stand die “1” für die Saturn 1, die “2” für die Saturn 1B und die “5” für die Saturn 5. Die zwei nachfolgenden Nummern standen wieder für den Flug beziehungsweise für die Rakete. So war der Flug AS-205 der fünfte Flug einer Saturn 1B, wobei die erste bemannte Apollo-Mission, Apollo 7, gestartet wurde.

Versionen

Die Saturn 1 flog in insgesamt drei Versionen:

  • Die Saturn 1 Block 1 war eine S-I-Stufe ohne eine zusätzliche Zweitstufe, sondern mit Ballast zur Simulation eines Fluges. Sie flog zwischen dem 17. Oktober 1961, also nur fünf Monate nach dem ersten Flug eines amerikanischen Astronauten, bis zum 28. März 1963. Dabei testete man beim ersten Flug einfach nur die Stufe, ob sie funktioniert oder auch nicht. Beim zweiten und dritten Flug wurde die Rakete nach dem Ausbrennen gesprengt. Dabei wurde das Wasser, welches den Ballast bildete, freigelassen und Forscher konnten die Auswirkungen von Wasser auf die Hochatmosphäre untersuchen. Dieses Unternehmen wurde auch Operation Highwater genannt. Beim vierten und letzten Flug wurde nach 100 Sekunden Betrieb eines der acht Triebwerke abgeschaltet, um zu schauen, ob die Rakete die Minderleistung kompensiert.
  • Die Saturn 1 Block 2 war eine Block 1, welche anstatt Ballast die S-IV-Zweitstufe nutzte. Sie flog zwischen dem 29. Januar 1964 und dem 30. Juli 1965 insgesamt sechs Mal. Der erste Flug diente nur dazu, die Funktionsfähigkeit der S-IV zu beweisen. Die restlichen fünf Flüge transportierten ein Modell der Apollo-Raumkapsel, den Boilerplate, mit zusätzlichen Startabbruchsystem ins All. Bei den restlichen drei Flügen kamen auch drei Pegasus-Satelliten gestartet. Der Pegasus-Satellit wurde dazu genutzt, die Mikrometeoritenrate im Erdorbit zu messen, um so zu schauen, ob es für ein bemanntes Raumschiff sicher wäre. Sie wurden dabei fest mit der S-IV-Stufe verbunden.
  • Die Saturn 1B nutzt die neue S-IVB-Oberstufe, welche für die Saturn 5 entwickelt wurde. Die S-I-Erststufe wurde verstärkt, um die schwerere S-IVB aufnehmen zu können. Sie war die meist eingesetzte Version der Saturn 1-Familie. Sie starte zwischen dem 26. Februar 1966 und dem 15. Juli 1975 insgesamt neun Mal. Der Erstflug diente zur Verifizierung der neuen S-IVB-Stufe sowie zum Start der ersten voll funktionsfähigen Apollo-Kapsel. Ab dem fünften Flug mit Apollo 7 waren alle restlichen Flüge der Rakete bemannt. Später startete sie die Besatzungen der Raumstation Skylab sowie die Apollo-Kapsel für den ASTP-Flug. Dabei lagen zwischen dem Start von Apollo 7 im Jahr 1967 und dem Start von Skylab 2 im Jahr 1973 fast sechs Jahre.

Die Saturn 1-Familie basierten alle auf einer Erststufe:

  • Die Erststufe der Saturn 1, die S-I, war die erste Stufe, die im Saturn-Programm entwickelt wurde und basierte auf der Erststufe der Juno V. Die von Crysler gebaute Stufe war 24,48 m lang, hatte einen Gesamtdurchmesser von 6,52 m lang und hatte eine Startmasse von 432,7 t. Sie bestand aus einem zentralen Oxydatortank, um den insgesamt acht weitere Tanks, je vier für Treibstoff und Oxydator, welche um den zentralen Tank herum angebracht wurden. Die acht Triebwerke vom Typ Rocketdyne H-1, welche auf dem Triebwerk der Jupiter basierte, hatten je einen Schub von 836,2 kN bei einer Brenndauer von 150 Sekunden. Insgesamt lieferte sie also einen Schub von 6.689,6 kN. Als Treibstoff nutzte man Kerosin (RP-1), als Oxydator flüssigen Sauerstoff (LOX).
  • Die Erststufe der Saturn 1B, die S-IB, war eine Weiterentwicklung der S-I der Saturn 1, wurde aber strukturell verstärkt, um die schwerere S-IVB-Zweitstufe aufnehmen zu können. Die von Crysler gebaute Stufe war 24,48 m lang, hatte einen Gesamtdurchmesser von 6,52 m lang und hatte eine Startmasse von 448,65 t. Sie bestand aus einem zentralen Oxydatortank, um den insgesamt acht weitere Tanks, je vier für Treibstoff und Oxydator, welche um den zentralen Tank herum angebracht wurden. Die acht Triebwerke vom Typ Rocketdyne H-1b, welche gegenüber dem H-1 etwas leistungsstärker waren, hatten je einen Schub von 911,9 kN bei einer Brenndauer von 155 Sekunden. Insgesamt lieferte sie also einen Schub von 7.295,2 kN. Als Treibstoff nutzte man RP-1, als Oxydator LOX.
  • Die Zweitstufe der Saturn 1, die S-IV, war erst die weltweit zweite kryogene Stufe nach der Centaur der Atlas und nutzte für sie entwickelte Technologien. Die von Douglas gebaute Stufe war 12,19 m lang, hatte einen Basisdurchmesser von 5,49 m, einen Kopfdurchmesser von 3,90 m und wog voll betankt 50,6 t. Die sechs Triebwerke vom Typ Pratt & Whitney RL-10-A-3 lieferten einen Gesamtschub von 400,3 kN bei einer Brenndauer von 482 Sekunden. Auf ihr befand sich der Bordcomputer der gesamten Rakete und steuerte somit diese. Als Treibstoff nutzte man flüssigen Wasserstoff (LH2) und als Oxydator LOX.
  • Die Zweitstufe der Saturn 1B, die S-IVB, wurde speziell für die Saturn 5 entwickelt und für die Saturn 1B adaptiert. Die von Douglas gebaute Stufe war 17,80 m lang, hatte einen Durchmesser von 6,61 m und wog voll betankt 118,8 t. Die sechs Triebwerke vom Typ Rocketdyne J-2 lieferten einen Schub von 1.033 kN bei einer Brenndauer von 475 Sekunden. Auf ihr befand sich der Bordcomputer der gesamten Rakete und steuerte somit diese. Als Treibstoff nutzte man LH2, als Oxydator LOX.

Starts

Alle Versionen der Saturn 1-Familie starteten zwischen dem 27. Oktober 1961 und dem 15. Juli 1975 insgesamt 19 Mal, wobei jeder einzelne Start erfolgreich war. Diese Erfolgsquote war für die frühen 1960er und die 1970er Jahre etwas außergewöhnliches, da sonst jeder andere Träger eine Reihe von Fehlschlägen hinnehmen musste. Als Startplatz nutzte man zunächst die Startkomplexe LC 34 und LC 37 der Cape Canaveral Air Force Station in Cape Canaveral, Florida. LC 37 bestand wiederum aus zwei Rampen, LC 37A, welche nie genutzt wurde, und LC 37B, welche Jahrzehnte nach Ende des Apollo-Programms für die Delta IV umgebaut wurde.

Einer der größten Unfälle der bemannten Raumfahrt ereignete sich am 27. Januar 1967 an der Startrampe LC 34: an diesem Tag übte die Besatzung von AS-204, besser bekannt als Apollo 1, Kommandant Virgil “Gus” Grissom, Senior Pilot Edward White und Pilot Roger Chaffee einen Start auf der Rampe. Bei diesem Test kam es zu einem Feuer in der Kapsel. Die Astronauten konnten nicht mehr aus der Kapsel fliehen und die Bodenmannschaft konnte nicht rechtzeitig die Kapsel öffnen. Alle drei Astronauten starben bei diesem Unglück, welches das Apollo-Programm zurückwarf. Später stellte sich heraus, dass ein Funke das Feuer in der reinen Sauerstoffatmosphäre auslöste, da unter anderem die Raumanzüge der Astronauten aus dem leicht brennbaren Nylon bestand, breitete sich das Feuer schnell aus. Die Konstruktion der Tür tat ihr Übriges, da diese nicht schnell genug hätte geöffnet werden können. Die genutzte Rakete mit der Nummer AS-204 blieb beim Unfall unbeschädigt und transportierte den ersten Mondlander in den Erdorbit, wo er erstmals im Weltraum getestet werden konnte. Der erste bemannte Start fand am 11. Oktober 1968 statt, wobei an Bord die Astronauten Walter Schirra, Donn Eisele, Walter Cunningham waren.

Nach dem Ende der Mondlandungen 1972 und dem Beginn des Programms Skylab modifizierte man einen Mobile Launcher der Saturn 5, um mit ihm die Saturn 1 starten zu können. Da sich die Saturn 1B und die Saturn 5 ab der dritten Stufe glichen, wollte man die Leitungen für Treibstoff sowie vor allem den Crew Access Arm, also den Zugangsarm für die Besatzung, nicht an einer anderen Stelle befestigen müssen, sodass man ein Plattform baute, auf der die Rakete stand. Diese bekam den Spitznamen Milkstool, also Milchschemel, da diese wie ein Milchschemel aussah, auf dem ein Bauer sitzt, wenn er eine Kuh melkt. Für den Start einer Saturn 1B vom ML wurden neben dem Milkstool noch die Leitungen für Treibstoff und Oxydator für die Erststufe neu angebracht. So starteten insgesamt vier Saturn 1B zwischen 1973 und 1975 vom Startkomplex LC 39B des Kennedy Space Centers in Cape Canaveral.

Geplante Versionen

Die Saturn 1 sollte die Basis für eine Reihe von Raketen sein. So gab es Pläne für eine Reihe von neuen Erststufen, etwa einem massiven Feststoffmotor, oder insgesamt vier Erststufen der Minuteman-Interkontinentalrakete als Startunterstützungsraketen. Auch hat man geplant, eine Centaur-Oberstufe zu benutzen, um somit eine Sonde zu starten. Dies plante man zwar, aber man strich die Sonde, womit die Saturn 1B / Centaur genannte Rakete überflüssig wurde.

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